Ich stehe perplex da und hoffe einfach, dass ich mein Geld wieder sehe und sie nur kurz Pesos zum Wechseln holt. 5 Minuten später kommt sie glücklicherweise wieder zurück mit dem Schein in der Hand. Sie könne nicht wechseln. Daraufhin quatscht Diana irgendein Typ auf der Strasse an, der sich auch sofort bereit erklärt das Geld zu wechseln. Mir ist schon lange nicht mehr wohl, aber irgendwie muss ich ja bezahlen. Ich rechne noch kurz nach, ob er richtig gewechselt hat (Strassenkurs natürlich) und kann dann endlich bezahlen. Nach diesem Erlebnis will ich eigentlich nur noch weg, aber Diana steht schon wieder vor mir und redet irgendwas von Zigarren. Aus einem nicht nachvollziehbaren Grund gehe ich doch nochmal mit ihr mit, um mir das ganze mal anzuschauen. Um die Ecke steht der Typ, der mir gerade das Geld gewechselt hat. Er spricht etwas besser Englisch als Diana. Er scheint der Zigarren-Verkäufer zu sein. Durch einen Hauseingang betreten wir ein seltsames Hinterzimmer, in dem ein weiterer Mann sitzt und Fernsehen schaut. Diana folgt mir in den Raum. Der Mann holt eine Zigarren-Schachtel hervor (ich bin ziemlich erleichtert das er sich nicht als Kokain-Dealer herausgestellt hat). In meinem Kopf schrillen sämtliche Alarmglocken. Ich höre dem Mann höflich zu und lehne dann mehrere Male ab und erkläre, dass ich erst darüber nachdenken muss. Dann kann ich endlich das Zimmer verlassen und will nur noch weg. Doch wie zu erwarten, steht Diana kurzerhand wieder neben mir. Sie redet wieder irgendwas auf Spanisch und schaut mich dann erwartungsvoll an. Ich schaue sie verständnislos und fragend an. Dann wird mir klar, dass sie Geld von mir will. Ich bin in der klassischen Touristenfalle gelandet wird mir in diesem Moment klar. Ich drücke ihr 50 Pesos in die Hand und Sie dreht sich endlich um und lässt mich auf der Strasse stehen.
So hat sich der Tag dann eigentlich fortgesetzt. Viele Leute haben mich angesprochen, wollten Geld, sind mir nachgelaufen. Die Touristenfalle Nummer zwei war Pablo. Ich schätze er war ungefähr 25. Ich war gerade auf dem Weg etwas zu essen zu suchen, weil ich wirklich unglaublichen Hunger hatte. «Hey erkennst du mich noch?» Bei der Frage schaue ich auf. Der junge Mann, der vor mir steht, kommt mir nicht im Entferntesten bekannt vor. Er stellt sich mir als Pablo und mein Nachbar vor. Er habe mich gestern Abend gesehen, als ich angekommen bin. Ich reagiere mit Schweizer Höflichkeit und tue so, als ob ich ihn wieder erkennen würde. Auch er fragt mich, was ich gerade vorhabe und ich sage ihm, dass ich auf der Suche nach etwas essbarem bin und wohl in eines der Restaurants am Ende der Strasse etwas essen werden. Er schüttelt den Kopf und erklärt mir lächelnd, dass dort nur Touristen hingehen und es viel zu teuer sei. Dann deutet er an ich solle ihm folgen. Ich bin so hungrig und mir fehlt die Kraft ihn nett loszuwerden, also folge ich ihm resigniert die Strasse weiter runter. Nach etwa fünf Minuten stehen wir vor dem Sky Green. Ich muss zugeben, dass das Restaurant auf der Terrasse über den Dächern von Havanna ziemlich schön aussieht und da mir bereits schwindelig ist vor Hunger, ist es mir langsam ziemlich egal, wo und was ich esse. Pablo lädt sich kurzerhand auch noch auf ein Bier mit mir ein und ich stöhne innerlich. Er erzählt mir, dass er eine kleine Tochter hat und zeigt mir ein Bild. Bei dieser Erwähnung schrillen meine Alarmglocken wieder laut. Ich verlange die Rechnung und bezahle die 1200 Pesos, was, wie ich später erfahren soll unglaublich viel ist für eine Mahlzeit mit Fisch und Reis, die man im Schnitt auch für etwa 400 Pesos kriegen würde. Nach dieser Mahlzeit will ich Pablo nur noch abschütteln. Ich laufe die schmale Treppe nach unten Richtung Ausgang und er folgt mir. Auf der Treppe fragt er mich, ob er mich küssen darf. Ich drehe mich perplex um. «Nein, sicher nicht!» Meine Antwort war vermutlich taktlos, aber er kann froh sein, dass ich nicht einfach losgerannt bin. Ich verabschiede mich von Pablo und gehe schnell die Strasse runter und biege in die nächste Seitengasse.
Ich habe mich zurück in mein Zimmer geflüchtet, in welchem ich nun auf meinem Bett liege und an die Decke starre. Was mache ich hier eigentlich?! Wie bin ich auf die dumme Idee gekommen allein nach Kuba zu reisen. Hier wollen mich anscheinend alle nur als Geldautomat benutzen. Ich spüre, wie sich ein Druck auf meiner Brust breitmacht. Wie soll ich mich bloss zurechtfinden in dieser riesigen chaotischen Stadt, in der die Menschen und Regeln so anders zu sein scheinen? Am liebsten würde ich mich in meinem Zimmer einsperren und den nächsten Flug in die Bahamas buchen. Hauptsache weg. Wo ist nur die Backpacker-Romantik, die ich mir erhofft habe zu finden?
Mein Tag hat sich nicht auf diese zwei Begegnungen beschränkt, aber sie widerspiegeln meine Überforderung an diesem ersten Tag ziemlich gut. Sie erklären ausserdem die innere Anspannung, die ich seitdem in Kuba verspüre. Immer ein bisschen auf der Hut sein. In der Schweiz weiss ich, wo ich aufpassen muss und auf was ich achten muss. Hier verlasse ich mich auf das Misstrauen, das sich als Grundton in jede Begegnung mischt, die ich bisher hier gemacht habe. Das ist anstrengend und irgendwie frustrierend.
Während ich hier mit meinem Mojito sitze, jagen diese Gedanken durch meinen Kopf. Was ist, wenn ich doch nicht so offen für Neues bin, wie ich gedacht habe? Alle haben schliesslich gesagt, reisen macht unglaublich viel Spass, aber Spass hatte ich bisher noch nicht wirklich. Doch ich sollte auch nicht so hart mit mir selbst sein. Das war der erste Tag und aller Anfang ist schliesslich schwer. Ich sollte mir noch ein bisschen Zeit geben, den Rhythmus dieses Landes zu finden und zu verstehen. Ich bezahle und der Barkeeper zwinkert mir zu als ich aufstehe, um zu gehen. Bei dieser kleinen Geste muss ich Lächeln. Vielleicht kann ich dieser Stadt ja doch etwas Schönes abgewinnen und sei es nur das Zwinkern eines Barkeepers.