Donnerstag, 24. Februar 2022
Tabakrauch und Honig
Wir reiten durch die grünen Hügel von Viñales. Ich fühle mich wie in einem Wild-West-Film. Nur das um mich herum keine Wüste ist, sondern grüne Hügel soweit das Auge reicht. Der Anblick wird nur zwischendurch von Tabakfeldern unterbrochen.

Rauch verliert sich in der Nacht

Sterne glitzern

Und ich Lächle mit bedacht

Nach 5 Tagen in Havanna beschliesse ich weiterzureisen. Raus aufs Land. In der Hoffnung, dass es dort ruhiger ist und ich mich ein bisschen wohler fühle als in einer 2 Millionen Stadt. Der Abschied von Yadilis, Joel und ihrem Sohn fällt mir dann doch nicht ganz leicht. Sie haben mir unglaublich viel geholfen in den letzten Tagen. In meiner Unterkunft habe ich in dem Chaos von Havanna ein bisschen Ruhe gefunden. Aber wer weiss, vielleicht sehe ich sie am Ende dieser Reise nochmal.

Ich steige in das Collectivo Taxi, dass vor der Haustür, eine Stunde zu spät, angekommen ist. Collectivos sind neben Busen die einfachste Art durch das Land zu reisen. Bei den Collectivos teilt man sich das Taxi mit anderen Reisenden, die an den gleichen Ort wollen. Die Collectivos fahren meist eine festgelegte Strecke. Das heisst manchmal muss man auch «umsteigen». Das Preisniveau ist etwas höher als mit dem Bus, aber man wird auch vor der Haustür abgeholt und vor seiner neuen Unterkunft abgesetzt.

Die nächsten 3 Stunden döse ich immer wieder ein neben dem Taxifahrer. Irgendwann wird die Landschaft immer grüner. Und dann nach ein paar Stunden eröffnet sich mir der Blick auf das Valle de Viñales. Der Anblick haut mich um, aber gleichzeitig breitet sich irgendwie eine innere Ruhe aus. Ich merke wie sich die Anspannung ein bisschen löst. Hier scheint das Lufthohlen leichter zu sein als in Havanna.

In meiner neuen Casa werde ich von Tochter und Mutter in Empfang genommen, die die Casa Particulare zusammenführen. Mein Zimmer hat diesmal sogar eine eigene kleine Terrasse mit zwei Schaukelstühlen. Ich setze mich auf mein Bett und atme tief durch. Ich entsperre mein Handy und rufe Zuhause an. Und dann löst sich die Anspannung und mir laufen die Tränen über die Wangen. Ich erzähle von all meinen Erlebnissen. Wie geschockt ich teilweise von der Armut bin, wie allein ich mich manchmal fühle und wie sehr ich all meine Leute vermisse.

Versteht mich nicht falsch: Reisen ist wirklich toll! Aber mein Anfang war schwierig und viele Leute haben mir erzählt, dass sich Kuba sehr heftig verändert hat während Corona. Es war schon davor ein kompliziertes Unterfangen durch Kuba zu reisen. Doch jetzt trifft man manchmal tagelang keine anderen Touristen, dass führt auch dazu, dass zum Beispiel gewisse Buslinien momentan nicht verfügbar sind und die ganzen Strukturen erst wieder hochgefahren werden müssen. Ohne spanisch Kenntnisse bleibt es einem ausserdem in den meisten Fällen verwehrt mit den Einheimischen zu sprechen. Durch all das zusammen habe ich mich in den ersten Tagen sehr allein gefühlt und mich gefragt, ob ich irgendetwas falsch mache. Doch nach einiger Zeit habe ich festgestellt, dass es den meisten Reisenden in Kuba ziemlich ähnlich geht.

Nachdem ich mich wieder etwas beruhigt habe, geht es mir schon um einiges besser. Irgendwie ruhig und ziemlich froh hier zu sein. Ich fühle mich das erste Mal seit 5 Tagen wieder entspannt. Ich schnappe mir meinen Pass, um noch den restlichen Papierkram fürs Einchecken zu erledigen.

Und vielleicht kann man es Fügung nennen, aber dort unten auf der Terrasse treffe ich den ersten Backpacker in Kuba seit meiner Ankunft. Koen kommt aus Holland ist 22 und schon seit drei Wochen in Kuba unterwegs. Er erzählt mir, dass auch er alles irgendwie sehr kompliziert findet in Kuba. Vor allem mit dem Geld (so ziemlich jeder der längere Zeit in Kuba verbringt, hat früher oder später Probleme mit dem Geld. Meist zu wenig Euro in bar). Seine Kreditkarte funktioniert nicht in Kuba. Er kommt also wirklich gar nicht an Geld ran. Ich bin froh mit jemandem über meine Erlebnisse zu sprechen, der das gleiche erlebt hat wie ich. Er wirkt allerdings um einiges entspannter als ich. Vielleicht geht es mir in drei Wochen ähnlich. Ich hoffe es.

All diese Erlebnisse geben mir wieder etwas Sicherheit doch am richtigen Ort zu sein und die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Morgen werde ich reiten gehen und mir Tabak- und Kaffeeplantagen anschauen. An diesem Abend schlafe ich mit einem Lächeln auf den Lippen ein.

Auch beim Aufstehen ist das Lächeln noch da. Also Reiten heute, ohne Reiten zu können. Das wird auf Jeden Fall interessant.
Und so kommt es, dass ich nun durch die grünen Hügel von Vinales reite. Wie in einem Wild west Film. Die Pferde sind so zahm, dass ich nicht wirklich viel machen muss. Das Pferd unseres Guides sieht zudem nicht so gesund aus, aber das ist ein anderes Thema. Auf der Tour dabei ist auch noch ein französisches Pärchen, die sich unglaublich darüber freuen, dass ich Französisch einigermassen verstehe. Wir halten bei einer Tabakplantage. Und wenig später rauche ich meine erste Zigarre mit dem französischen Pärchen und fünf Holländerinnen. Die Kubaner dippen das eine Ende der Zigarre in Honig und rauchen die Zigarre dann durch den Honig. Sehr empfehlenswert! Ich würde hier gerne noch ein paar Fakten über den Tabak-Anbau wiedergeben, aber ehrlicherweise erinnere ich mich nicht an sehr viel.

Langsam finde ich also in das Reisen beziehungsweise in das Reisen, wie ich es mir vorgestellt habe. Vielleicht war genau das mein Fehler. Eine Vorstellung davon zu haben, wie Reisen aussehen soll. An meinem letzten Abend in Viñales haben wir Stromausfall. Ich sitze auf meiner kleinen Terrasse auf dem Schaukelstuhl und rauche meine Zigarre fertig. Ich geniesse die Sicht auf die Sterne, die ich das erste Mal richtig sehe, ohne das künstliche Licht. Allein zu sein, kann Angst machen. Manchmal fühlt es sich unglaublich einsam an und man würde gerne all die Erlebnisse und Gefühle mit jemandem teilen. Aber dann gibt es auch diese Momente, wie jener auf der Terrasse, in dem ich es sehr geniesse allein mit meinen Gedanken zu sein die sich zusammen mit dem Rauch in der Nacht verlieren.

Am nächsten Morgen in aller frühe steige ich erneut in ein Taxi. Diesmal richtig Varadero, die Stadt mit dem schönsten Strand in Kuba. Erneut ein Abschied, doch diesmal mit mehr Selbstsicherheit und Ruhe.
Made on
Tilda