Dienstag, 1. März 2022
Parallelwelt Varadero
Bei meinem ersten Spaziergang durch Varadero fühle ich mich wie in einer Geisterstadt. Fast keine Leute sind auf den Strassen unterwegs. Vermutlich ist gerade Mittagszeit. Um 15.00 Uhr ist die Sonne auch stark und ich entscheide, dass der Strand vermutlich die bessere Option ist, um den restlichen Tag zu verbringen.

Strand ohne Ende

Salz auf der Zunge

Eine Wende

Varadero ist ein seltsamer Ort. Es ist so völlig anders als die anderen Orte, die ich bisher von Kuba gesehen habe. Varadero ist für Kanadier ein bisschen wie für die Deutschen Mallorca. Die Stadt erstreckt sich über eine lange Halbinsel. Am Ende der Insel befinden sich praktisch nur All-Inclusive Hotels, die meist bevölkert sind von Russen und Kanadiern. Die Stadt wirkt moderner und es ist der erste Ort in Kuba, in dem ich mit Karte bezahlen kann. Normalerweise findet man an allen Orten von Kuba einen Teil Geschichte und während man durch die Strassen läuft, kann man sich gut die Piraten-Angriffe und Revolutionen vorstellen. Doch in Varadero fällt auch dieser Aspekt weg. Es fühlt sich an wie ein Mikrokosmos mitten in Kuba.


Gibt es nachhaltigen Tourismus? Kann Pauschaltourismus nachhaltig sein? Was denke ich über All-Inclusiv Hotels? Viele Fragen, die sich mir stellen, während ich am Strand sitze. Ich finde All-Inclusiv Anlagen schwierig. Ich selbst war noch nie in einem dieser Ressorts, die man eigentlich nicht mehr verlassen muss, sobald man angekommen ist. Mich reizt daran auch absolut gar nichts. Ich kann irgendwie verstehen, dass Leute einfach Ihre Ferien geniessen wollen. Am Strand liegen, Cocktails trinken und am Abend ein drei Gang Menü geniessen. Grundsätzlich kann man auch sagen, dass es den Leuten vor Ort viele Jobs verschafft, doch da sind eben auch die Schattenseiten.


Jegliche Kultur fällt weg durch diese Art von Tourismus. Varadero hat nicht mehr wirklich viel mit dem Leben in Kuba zu tun. Ist es nicht Ignorant, um nicht zu sagen respektlos seine komplette Umgebung in dem Ausmass zu ignorieren? Man kann quasi das Land wechseln, ohne wirklich ein Unterschied zu spüren, bis auf den Strand vielleicht. Aber ob man nun in der Türkei oder in Kuba in einem All-Inclusiv Hotel am Strand liegt, macht in meinen Augen keinen grossen Unterschied, bis auf das Essen vermutlich. Klar wenn man im Urlaub ist, hat man nicht allzu grosse Lust sich mit Politik, Geschichte und Problemen eines fremden Landes zu beschäftigen, aber dann stellt sich mir auch die Frage, warum wir überhaupt 11 Stunden fliegen, um dann zu erwarten, dass die Umgebung sich möglichst nicht unangenehm verändert hat und wir genauso leben wie zuhause nur mit Strand...?


Ich habe viel über diese Dinge in Varadero nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass eine Verurteilung von Pauschal-Tourismus auch ignorant und respektlos ist. Ausserdem schliesst es nicht alle Pauschaltouristen ein, da gibt es sehr wohl historisch und politisch interessierte Leute darunter. Aber die Tatsache, dass es Touristen gibt, die Teilweise schon fünf Mal In Kuba waren, aber Varadero noch nie verlassen haben, kann ich trotzdem nicht verstehen, weil dieser Ort bleibt für mich ein Paralleluniversum zu dem authentischen Kuba.


So das waren jetzt ungefiltert ein paar Gedanken zu diesem Zwischenuniversum. Was man Varadero aber definitiv lassen muss: Der Strand ist einfach unglaublich schön!
Auch hier bin ich noch auf einen anderen Reisenden gestossen: Mahir, 27 aus Bern. Es ist schön wieder Mal in einer mir vertrauten Sprache ein Gespräch zu führen. Ein bisschen Heimat. Bei einem Cuba Libra reden wir über Kuba, Probleme, die Unterschiede zu Europa und der Schweiz. Da gibt es so einiges zu bereden.

So vergehen die vier Tage in Varadero zwischen Palmen, Schweizerdeutsch und Sonnenbrand (den schlimmsten, den ich je hatte). Ich bin entspannt, ich geniesse die Unkompliziertheit dieses Orts. Lustigerweise fehlen mir aber doch auch ein bisschen die lauten Strassen von Havanna. Dahin geht es auch zurück nach diesen vier Tagen um von dort aus, dann weiter zu reisen.

Als ich in den Bus einsteige Richtung Havanna, habe ich gemischte Gefühle. Bin ich nun bereit für diese Chaotische Stadt? Die Antwort hat mich selbst überrascht.
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Tilda