MOntag, 4. April 2022
71% Faszination
Um mich herum ist alles blau. Es ist still bis auf meinen Atem. Vor mir steigen Luftblässchen auf. In mir ist eine unglaubliche Ruhe. Einatmen, ausatmen. Langsam werde ich Teil von einer Welt, in die ich normalerweise keinen Zutritt habe. Ein Gast auf Zeit.

Absolute Stille

Atmen, ein und aus

Blick durch die rosa Brille

In eine neue Welt hinaus

Tauchen hat mich nie gross interessiert. Ok das stimmt vielleicht nicht ganz. Als Kind habe ich im Wasser meist mehr Zeit unter der Wasseroberfläche verbracht als darüber. Ich war schon immer ein Wassermensch. Ich fühle mich wohl im Wasser. Am meisten fasziniert mich die Stille. Unterwasser bist du allein mit deinen Gedanken, keiner kann dich stören. Und ein Grund, warum ich nach Mexiko gegangen bin, ist ein Gespräch mit einem Deutschen, der sich gerade auf einem Tauchtrip um die halbe Welt befindet und einer Tauchlehrerin aus Russland, die ein paar Jahre in Mexiko gelebt hat. Dieses Gespräch habe ich im Hinterkopf, als ich den Pier von Cozumel entlang laufe. Und so kommt irgendwann die Idee auf meinen Tauchschein zu machen. Open Water Diver. Das ist die erste Stufe nach PADI Ausbildungskonzept. Warum auch nicht denke ich mir und wenn ich schonmal an einem der schönsten Tauchspots der Welt bin. Eine bessere Chance gibt es vermutlich nicht.

So verbringe ich den nächsten Tag mit ein bisschen Recherche zu verschiedenen Tauchschulen und suche mir dann zwei heraus. Ich beschliesse persönlich vorbeizugehen und mir mal einen Eindruck zu verschaffen.

In der Cozumel Dive School werde ich freundlich in Empfang genommen. Dort komme ich dann auch gleich mit ein paar Tauchschülern ins Gespräch, die gerade ihren Open Water Diver Kurs angefangen haben. Ich fühle mich sofort wohl hier und nach ein paar kurzen Abklärungen, weil meine Anfrage doch ziemlich kurzfristig kommt, kann ich meinen Tauchkurs am nächsten Tag anfangen.

Was ich unterschätzt habe: die Theorie. Mann muss ganze 5 Kapitel à ungefähr 50 Seiten lesen. Auch wenn es spannend ist, ist es doch ziemlich viel. Also Empfehlung an der Stelle: bucht euren Open Water Dive Kurs vielleicht eine Woche im Voraus, damit ihr Zeit habt die ganze Theorie schon mal im Voraus ein bisschen durchzulesen. Oder man kann es natürlich auch so wie ich machen und bis um 12 Uhr nachts Tauch-Theorie studieren.
Ich werde wach von meinem Wecker um 7.00 Uhr. Ich weiss nicht, wann ich das letzte Mal so früh aufgestanden bin. Mit mir zusammen starten vier andere ihren Kurs. Ich bin nun doch ein wenig nervös. Beim Tauchen gibt es schon so zwei drei Risiken, die man beachten muss. Die Sauerstoffflaschen liegen schwer auf meinen Schultern. Ich fühle mich träge mit dem ganzen Material. Doch sobald ich in den Pool steige, löst sich das Gewicht in Luft auf. Unter Wasser atmen. Ein Kindheitstraum erfüllt sich. Es fühlt sich die ersten paar Mal seltsam an, doch dann passe ich mich meiner Umgebung an und geniesse die Stille.

Ich befinde mich irgendwo auf dem Meeresgrund. Ich flippe fast aus, als ich den ersten Fisch an mir vorbei schwimmen sehe. Ich kann ein bisschen seine Welt erkunden, für zwei Stunden ungefähr kann ich Atmen Unterwasser. Tauchen ist ein sehr naturverbundener Sport. All die Tauchlehrer die ich hier kennengelernt habe, sind darauf bedacht diese unglaubliche Unterwasserwelt genau so zu verlassen, wie man sie am Anfang betritt. Ein Gast sein ohne Spuren zu hinterlassen. Ich drehe meinen Kopf nach oben und betrachte die Wasseroberfläche von unten. Die Sonne scheint durch. Den Anblick werde ich ab jetzt im Kopf haben, wenn ich von oben das Meer betrachte.

Am dritten Tag fahren wir mit dem Boot raus. Zu einem Riff. Mein erster Boots-Tauchgang. Ich freue mich unglaublich. Wir springen ins Wasser. Letzter Check und dann abtauchen. Erneut unter die Oberfläche. Eine Stunde lang schwimme ich zwischen Fischen, Schildkröten und Seeanemonen durch eine völlige Stille. Nur unterbrochen durch meine Atemgeräusche. Ich kann verstehen, warum Tauchen so viele Menschen fasziniert. Schon die Natur an Land ist unglaublich, aber das Meer hat etwas Mysteriöses. 71% der Welt ist mit Wasser bedeckt und die Weltmeere sind nach wie vor unerforschter als das Weltall. Wie soll man da nicht fasziniert sein?
Nach diesem Tauchgang bin ich offiziell eine zertifizierte Open Water Taucherin. Ich lächle. Das war definitiv nicht der letzte Tauchgang. Ich könnte mir allerdings nie vorstellen sowas jeden Tag zu machen, wie unsere Tauchlehrer oder solche die gerade die Ausbildung dafür machen. Ich bin fasziniert davon, wie natürlich sie sich im Wasser bewegen und wenn sie einen Tag frei haben, gehen Sie auf einen Tauchgang.

Vielleicht suchen wir alle unser natürliches Element. Die einen finden es im Beat auf einer Tanzfläche, andere finden es tief unten im Meer mit einer Sauerstoffflasche. Und von Zeit zu Zeit muss man ein anderes Element ausprobieren und wortwörtlich den Sprung ins kalte Wasser wagen.
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Tilda