Freitag, 15. April 2022
Die Stadt in den Bergen
Farbige Lichter umhüllen mich. Der Bass scheint mein Herzschlag zu bestimmen. Ich hebe meine Arme und lasse mich davontragen. Irgendwo mitten in einer alten Lagerhalle in San Cristóbal de las Casas. Mein erster Techno Rave. Und was für einer. Vielleicht kann ich dieser Szene doch etwas abgewinnen. Vielleicht ist es aber auch nur die Magie des Moments. Ich lächle.

Der Versuch zu beschreiben

Magische Orte

Keine Worte

San Cristóbal de las Casas ist eine einzigartige Stadt. Man befindet sich mitten in den Bergen. Die Temperaturen sind immer sehr angenehm in der Nacht sogar kalt. Es ist das erste Mal, dass ich einen Pullover brauche in Mexiko. Eine schöne Abwechslung eigentlich. Doch es ist nicht nur das. Diese Stadt hat etwas. Eine spezielle Stimmung, irgendwie ein spezieller Ort. Das hat aber vermutlich auch ein bisschen mit den Leuten zu tun. Ich habe wieder altbekannte Gesichter in San Cristobal getroffen. Alle aus Palenque sind hier. Ich bin glücklich sind sie alle immer noch da.

Nach San Cristobal verschlägt es die meisten Reisenden in Mexiko früher oder später. Die Stadt mit den günstigsten Märkten in Mexiko. Generell ist hier alles extrem günstig. Auch ein wenig touristisch, aber nicht zu vergleichen mit dem Süden.
Mein Hostel in San Cristobal ist fast zu gut, um wahr zu sein. Im Puerta Vieja kann man für CHF 11 Franken übernachten und hat damit auch gleich sein Frühstück bezahlt. Wer jetzt an ein paar vertrocknete Toasts denkt liegt völlig falsch. Jeden Morgen gibt es eine Süsse, eine Herzhafte und eine Vegane Variante. Eben fast zu gut, um wahr zu sein.
Das Einzige was mich ein wenig beunruhigt hat, sind die Warnungen bezüglich des Wassers. Nach einem herzlichen Empfang ist es das erste, was einem mitgeteilt wird: Wasser vom Hahn auf keinen Fall trinken! Auch zum Zähneputzen wird empfohlen Wasser aus Flaschen zu nehmen. Das Wasser in San Cristobal ist so verunreinigt, dass man sich auch nur beim kleinsten Kontakt eine Magen-Verstimmung zuzieht, die sich teilweise über eine Woche ziehen kann. Ich wasche mir in San Cristobal nicht mal das Gesicht mit dem Wasser vom Hahn. Man kann es paranoid nennen, aber ich bleibe tatsächlich verschont. Mein kurzer Ausflug in die Welt der angenehmen Reisekrankheiten in Kuba hat mir völlig gereicht. Beim Reisen krank werden, ist eine meiner grössten Ängste. Solange ich überallhin laufen kann mit meinem Rucksack auf dem Rücken, Handy in der Hosentasche, Pass und Kreditkarte habe, fühle ich mich fast jeder Herausforderung gewachsen. Doch seinen Körper nicht mehr unter Kontrolle zu haben und nicht einmal die Kraft finden aus dem Bett aufzustehen ist für mich eine schreckliche Vorstellung. Sicher werden Leute da sein, die einem helfen, aber der Gedanke von fremden Leuten abhängig zu sein, finde ich sehr beunruhigend.

Nach einem K.o. ähnlichen Schlaf, gehe ich am nächsten Morgen auf eine Tour. Ich fühle mich wie ein Tourist. Mit einem Bus werden wir zu zwei Aussichtspunkten gefahren (10 Minuten Zeit für Fotos). Danach geht es weiter mit einer Bootstour durch den Canyon, denn wir vorhin von oben betrachtet und natürlich auch fotografiert haben. Die Tour ist beeindruckend. Wir sind umgeben von massiven Felsen und sogar ein paar Krokodile zeigen sich uns.
Ich weiss das ich immer eine Touristin bin. Die Definition vom Duden lautet folgendermassen:
Definition nach Duden
[Urlaubs]reisende; weibliche Person, die reist, um fremde Orte und Länder kennenzulernen
Genau das mache ich. Doch das Wort Tourist hat für mich in den letzten Jahren einen bitteren Beigeschmack erhalten. Man spricht viel von «Overtourism», von den Leuten, die sich eigentlich nicht für ein Land interessieren sondern für die günstigen Cocktail-Preise und vielleicht noch das Meer. Irgendwie ein sehr negativ behafteter Begriff. Backpacker distanzieren sich gerne von diesem Begriff. So auch ich. Das Ziel ist es, das wahre Gesicht eines Landes kennen zu lernen. Wie leben die Menschen hier? Wo und wie trinken sie ihren Kaffee? Welche Gedanken beschäftigen sie alltäglich? Möglichst nicht in das Geschehen um sich herum eingreifen. Man versucht sich in seine Umwelt einzufügen.

Keine Hotels, sondern am liebsten Couchsurfing bei einem Einheimischen. Lokales Essen. Eine neue Lebensart, sich eindenken in eine andere Art zu denken. Ich glaube das ist es was viele Backpacker suchen. Sie suchen das unangenehme, anstrengende und authentische. Für wenig Geld das meiste heraushohlen. Doch so gerne ich mich auch als Backpackerin bezeichne, manchmal bin ich doch mehr Touristin als ich zugeben würde.

Reisen bringt einen aber auch an verrückte Orte. So landen wir nach einem Abend mit zu viel Wein in einer mexikanischen Drag-Queen-Show. Ich kann mich nicht mehr genau daran erinnern, wie wir dort gelandet sind, aber das war einer der Backpacker-Momente im Kontrast zu dem Touristen-Canyon Ausflug. So bin ich auch im Midnight-Club gelandet. Dort findet jede Woche eine Techno-Party statt. Alles ist ein bisschen mysteriös, so wie man das von Filmen kennt. Die Location ist auch unschlagbar. Die Party findet in einer alten Lagerhalle statt. Alles ist bunt dekoriert. Ich verliere mich an dem Abend in dem Beat und den Lichtern.
Dragqueen Show in San Cristóbal de las Casas
Ganz gerecht bin ich dieser Stadt, oder vielleicht meiner Zeit in dieser Stadt, mit diesem Text nicht geworden. Doch der Versuch alleine hat sich gelohnt.
Das war San Cristóbal de las Casas.
Made on
Tilda