Freitag, 14. Juli 2023
Das warten auf den Wind
Es kann nicht real sein. Das blaue Meer und die Sandstrände. Als hätte jemand die Natur gephotoshopt. Ich liege im Wasser mit dem Blick zum Himmel. Ich will nicht übertreiben, aber Tarifa ist sowas wie ein kleines Paradis. Ein Paradis mit Wind. Das Mekka für Kitesurfer.
Nach Tarifa kommt man nur mit dem Bus oder dem Auto von einem nahen gelegenen Flughafen. Anscheinend haben ziemlich viele Leute noch nie von Tarifa gehört. Wenn ich erzähle, wo ich hingehe, ist die Antwort meistens „wo liegt das genau“. Tarifa ist im Süden von Spanien, der südlichste Punkt von Europa. In nur einer Stunde ist man in Marokko, da Tarifa direkt an der Strasse von Gibraltar liegt. Mittelmeer und Atlantik treffen aufeinander. Klingt schon irgendwie magisch.

Selbst wenn man kein Surfer ist, die Stimmung packt einen. Am Strand die Kitesurfer, die ihre Schirme bereit machen und durch die Wellen gleiten. In Tarifa gibt es zwei Winde. Levante und Poniente. Levante ist der stärkere von beiden, aber auch ein bisschen zickiger. Poniente ist weniger stark dafür beständiger.

Wenn man kiten geht packt einen plötzlich eine Besessenheit für Windvorhersagen. Man kann zwar nie richtig darauf zählen, da der Wind schlussendlich, doch einfach macht, was er will. Aber das ewige Warten auf den Wind ist manchmal zum verrückt werden. Wir kommen später an in Tarifa als geplant. Trotzdem geht’s noch raus zum Kiten. Die Bedingungen sind perfekt. Fast keine Leute mehr am Strand und die Sonne steht nicht mehr so hoch um 6 Uhr abends. Kiten ist eines der Dinge, die ich gerne besser beherrschen würde. Aber mit einmal im Jahr 1 Woche Kiten gehen wird es wohl noch eine Weile dauern, bis ich dieses Ziel erreiche.
Kiten ist unglaublich. Bei keinem Sport fühle ich mich so frei. Nur du und der Wind mitten im Meer. Du könntest gehen, wohin du willst. Ausser der Wind stellt einfach ab. Das passiert zwischendurch. Man merkt es daran, wenn plötzlich alles Schirme auf dem Wasser liegen. Hast du Pech bist du irgendwo zwei Kilometer weit draussen und musst zurückschwimmen. Meistens wird man nach einer Weile von einem Rescue Boot aufgegabelt. Bis dahin heisst es schwimmen.

Das einzig nervige an diesem Ort: manchmal muss man anstehen, um einen Platz im Restaurant zu ergattern. Aber sind wir ehrlich, mit einem Glas Sangria in der Hand ist auch das nicht weiter schlimm.

Jeden Tag Kiten oder auf den Wind warten, um Kiten zu gehen. So sieht meine Woche aus. Könnte schlimmer sein. Ich liebe es Teil von etwas zu sein. Ich würde gerne mehr in diese Kite-Welt gehören. Aber so wie ich eine Touristin in Tarifa bin, so bin ich auch eine Touristin beim Kitesurfen. Ich mag den Sport und ich würde gerne nächstes Jahr mal drei Wochen irgendwohin und nur Kiten, bis ich es endlich richtig gut beherrsche. Mir fehlt aber dieses Kitzeln in den Füssen, das alle angefressenen Surfer haben. Wenn es Wind hat, sind sie auf dem Meer. Keine Ausreden. Für mich ist es manchmal okay, auch bei Wind einfach schwimmen zu gehen.

Das schöne ist jedoch, es gibt kein richtig und falsch beim Kiten. Bei keinem Sport. Man muss nicht jeden Tag wie ein Windverrückter mit seinem Kite aus dem Haus rennen. Jeder lebt seine eigene kleine Surfer-Welt. Auch wenn man nur für eine Woche zu besuch ist. Für eine Woche kann man sich dann schonmal Surfer oder Surferin nennen.
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Tilda